PTBS Teil 2 - Wieso ist eine PTBS eine normale Reaktion?

Dominik Ferber

In unserem Gehirn gibt es eine Region, welche man auch das limbische System nennt. Dieses Hirnareal hat sich in der Zeit der Menschheitsgeschichte entwickelt, als wir einer gefährlichen, aber überschaubar einfachen Welt noch in Höhlen lebten und mit Speeren jagt auf Säbelzahntiger gemacht haben.


Das limbische System ist das Überlebenssystem unseres Gehirns. Es warnt uns vor Gefahren und sorgt dafür, dass wir in lebensgefährlichen Situationen überleben. Es funktioniert heute noch genauso gut wie heute, deshalb hat es sich auch nicht weiterentwickelt oder verändert.


Da sich unsere Lebensweise verändert hat in eine viel komplexere Welt mit viel mehr Reizen und Informationen, kann man beim limbischen System von einer funktionierenden, aber veralteten Software sprechen. Daher kann es aufgrund dieser Reizüberflutung heutzutage zu Problemen mit dieser veralteten Software bzw. Informationsverarbeitung kommen, welche eigentlich auf die einfachen aber gefährlichen Verhältnisse der Steinzeit ausgelegt ist.

Diese Probleme äußern sich dann in einer PTBS.


Das limbische System ist eine Art Scanner, welcher jede Situation, welche wir kognitiv wahrnehmen, bewertet. Es teilt ein in gefährlich und ungefährlich.
Sollte das limbische System zum Ergebnis kommen, das die gerade erlebte Situation gefährlich ist, aktiviert es über Stresshormone die uns bekannten Stressreaktionen.

Wir atmen dadurch schneller, um mehr Sauerstoff in unsere Blutbahn zu befördern und unsere Muskeln bei höchster Belastung mit ausreichend Sauerstoff versorgen zu können, damit wir sehr schnell viel Kraft haben.
Wie wir in einer gefährlichen Situation agieren, hängt davon ab, ob und was in unsere Muskelgedächtnis abgespeichert ist.

In unserem Muskelgedächtnis sind diese Dinge automatisiert gespeichert, die wir beispielsweise regelmäßig trainiert haben. In einer Gefahrensituation handeln wir schnell und spontan und werden das tun, was uns
als erstes einfällt. Dabei ist es unerheblich, ob die Strategie geeignet ist, die
Gefahrensituation zu beseitigen. Das Gehirn greift auf das zu, was automatisiert
abgespeichert ist und das sind Überlebensstrategien, die wir immer und immer wieder trainiert haben, hunderte, vielleicht auch tausende Male.

Es kann unter Umständen dazu kommen, das andere Hirnareale nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr funktionieren.


Das kann zum Beispiel dazu führen, dass wir nicht mehr reden können oder unser Gedächtnis gestört wird, weil wir de facto keinen Zugriff mehr auf das Hirnareal haben.


Unsere (zeitliche) Wahrnehmung kann ebenfalls gestört werden, sodass sich eine Sekunde anfühlt wie 10 Sekunden oder umgekehrt. Das liegt daran, dass das Gehirn seine ganze Leistung dafür aufbringt, zwischen gefährlichen und ungefährlichen Reizen zu unterscheiden und darauf mit den im Muskelgedächtnis abgespeicherten Überlebensstrategien zu reagieren.


Je nach dem, ob und was wir im Muskelgedächtnis abgespeichert haben, reagieren wir unterschiedlich. Wenn unser Gehirn eine Strategie gefunden hat, dann gehen wir in den Kampf (Fight). Wenn wir keine Strategie gefunden haben, um die Situation zu verändert, gehen wir in die Flucht (Flee). Wenn wir in einer Situation sind, in welcher wir keine Strategie aktivieren können und dieser Situation nicht entfliehen können, dann gehen wir in eine Schockstarre über. Dies ist eine Notabschaltung des Gehirns, um uns vor Reizüberflutung zu schützen (Freeze).


Das ist auch der Grund, warum man beispielsweise als Soldat drillmäßig immer und immer wieder die gleiche Situation übt. Das hat nichts mit Dummfick zu tun, sondern soll uns in höchstgefährlichen Situationen handlungsfähig halten, um zu überleben.

Deshalb sollte man als Soldat den Ausbildern am meisten dankbar sein, die einen am meisten „geschliffen“ haben.


Heutzutage sind unsere Bedrohungen häufig sehr gefährlich, aber verhältnismäßig selten endet diese mit dem Tod. Der erste Auftrag des limbischen Systems ist nach dem Bewältigen einer gefährlichen Situation erfüllt. Und da es seinen Zweck erfüllt hat, entwickelt es sich auch nicht weiter.


Die zweite Aufgabe, uns vor potenziell gefährlichen Situationen zu warnen, führt in der heutigen komplexen Welt gehäuft zu einem Fehlalarm, und zwar in Form der PTBS.


Als wir früher mit Yeti’s und sonstigem Viehzeugs gekämpft haben, speicherte unser limbisches System bei einer lebensbedrohlichen Situation jeden einzelnen Reiz, den wir wahrgenommen haben, im Gedächtnis ab. Das Rascheln im Gebüsch, als sich sich der Yeti uns genähert hat, seine Fellfarbe, die Gegend, wo wir angegriffen wurden, die Lichtverhältnisse, Tageszeit, sein Geruch, seine Laute und so weiter.


Für sich genommen ist jeder Warnreiz gut, weil jeder Yeti gefährlich ist und wir natürlich sofort alarmiert werden möchten, falls wir einen der Reize erneut wahrnehmen.

Das heißt, dass ein Yeti möglicherweise wieder in der Nähe ist und wir können schneller geeignete Maßnahmen zum Überleben einleiten. Wir regieren dann mit Angst und rennen weg oder wir werden wütend, schnappen uns unsere Waffen und rammen sie dem Yeti mit Wucht in seinen Körper. Wir haben überlebt, das limbische System funktioniert.


Da unsere heutige Welt komplexer und viel reizüberfluteter ist als früher, kommt es gehäufter zu Fehlalarme.


Ein traumatisierter Soldat zum Beispiel, welcher in Afghanistan von einer IED angesprengt wurde, kann bei sich in der Heimat durch eine harmlose Kiste, welche am Straßenrand steht als er daran vorbeifährt, eine Panikattacke bekommen, weil das limbische System Alarm auslöst.


Ein ganz normaler Zivilist kann bei der Farbe blau, welche er irgendwie wahrnimmt, einen Flashback (sich wiederholt aufdrängende belastende Erinnerung) an seinen schweren Verkehrsunfall bekommen, bei welchem er sechs Monate zuvor beteiligt war.

Der Unfallgegner fuhr dabei einen blauen Pkw.


Da unser Alltag vollgestopft mir Reizen und Wahrnehmungen ist, kann ein traumatisierte Mensch möglicherweise vor lauter Fehlalarme nicht mehr zur Ruhe kommen, was dann zur Symptomatik einer PTBS führt.


Im nächsten Teil erfahren wir, was man gegen eine PTBS tun kann.

 

Hier gibt es Hilfe:

BAPersBwBundesamt für das Personalmanagementder Bundeswehr Referat VII 1.4


Sozialdienst der Bundeswehr
Alte Heerstraße 81
53757 Sankt Augustin
Regierungsoberamtsrätin Maria Scholten

Telefon: +49 2241 15 2926

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